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DW-Reporter Wilhelm: In den meisten afrikanischen Ländern spielen Podcasts noch keine große Rolle

Wie produziert man Podcasts für einen fragmentierten Medienmarkt? Jan Wilhelm arbeitet als freier Journalist in der Afrika-Redaktion der Deutschen Welle. Beim Audiocamp sprach er mit uns über andere Hör- und Mediengewohnheiten, Mehrsprachigkeit und andere strukturelle Gegebenheiten – und wie man damit umgehen kann.

Portrait von Jan Wilhelm.

Jan Wilhelm, freier Journalist bei der Deutschen Welle (Foto: privat).


Das Thema Deiner Audiocamp-Session war „Podcast-Wüste Afrika“. Was war Deine Rolle in dieser Session?

Ich war zusammen mit meinen Kolleg*innen Maria Braun und Cai Nebe da. Wir sind alle drei in der Afrika-Redaktion der Deutschen Welle und machen dort Programm  auf sechs verschiedenen Sprachen: Englisch, Portugiesisch, Französisch, Hausa, Kisuaheli und Amharisch.

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JOURNALISMUS LAB · S01E05 – Podcast-Wüste Afrika mit dem freien Journalisten Jan Philipp Wilhelm

Wie viele Sprache sprichst Du davon?

Ich spreche Englisch, Französisch und kann Portugiesisch einigermaßen verstehen. Nur bei den afrikanischen Sprachen bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Aber wir haben in den Redaktionen natürlich auch Muttersprachler.

Du arbeitest bei der Deutschen Welle, quasi der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland. Sozusagen für alle Menschen, die außerhalb der Bundesrepublik sind und News über Deutschland hören wollen.

Ja, aber nicht unbedingt über Deutschland. Ich würde sagen, zu 80 Prozent sind es tatsächlich Nachrichten aus den Zielregionen. Wir haben Korrespondenten vor Ort und wir machen die Nachrichten. Wir produzieren hier natürlich mit Zulieferung von unseren Korrespondenten, hier im Sinne von Bonn in Deutschland. Aber natürlich gehört es zu unserem Programmauftrag, einen deutschen, würde ich sagen, einen europäischen Blick zu wahren. Gerade auch in Regionen, in denen es nicht so gut um die Pressefreiheit bestellt ist, da auch unabhängige Nachrichten zu liefern.

Wie lange bist du da schon?

Seit inzwischen fünf Jahren.

Und wie kamt ihr auf das Thema Podcast zu sprechen?

Ich glaube, dass sich darüber gerade wahrscheinlich jede Redaktion Gedanken macht. Wir erreichen fast unsere gesamte Zielgruppe übers Radio, einfach weil Radio nach wie vor das dominante Medium ist in Afrika. Wir erreichen da mit unserem Radioprogrammwöchentlich in etwa 37 Millionen Menschen. Und in einem Markt, wo Audio sowieso so eine große Rolle spielt, stellt sich natürlich die Frage: Ist es da nicht auch irgendwie an der Zeit, über Podcasts nachzudenken? Interessant ist es insofern, dass zumindest in den meisten afrikanischen Ländern Podcasts noch fast gar keine Rolle spielen. Wir haben in Südafrika ein bisschen eine Ausnahme, da gibt es auf jeden Fall schon eine signifikante Podcast-Nutzung in der Bevölkerung.

In Nigeria haben wir zumindest eine anekdotische Nutzung, denn wir wissen, dass es da Journalisten, aber auch Radiosender gibt, die mit Podcasts experimentieren, aber jetzt noch nicht so die Reichweite haben. Und wir fragen uns halt, wann ist der Zeitpunkt, in diesen Markt einzusteigen? In Nordamerika, in Europa, teilweise in Asien, sind Podcasts bereits ein super großes Thema. Aber gerade auf einem Kontinent, auf dem Audio sowieso wichtig ist, warum da eigentlich noch nicht? Und was muss dafür noch getan werden? Was muss passieren? Was sind die Faktoren, die noch so ein bisschen zurückhalten? Und wie wollen wir da teilnehmen?

Total spannend ist ja der Aspekt, dass Radio  über Radiowellen übertragen wird und Podcasts übers Internet . Wenn man sich jetzt anguckt, wie die Afrikaner ins Internet gehen, dann ist das halt mobil. Die haben sozusagen mehrere Schritte übersprungen, die wir hatten: Die haben keine Kabel verlegt, die haben nicht erstmal G1 gehabt und so weiter, sondern die sind sofort ins mobile Zeitalter gesprungen. Alle haben da Handys, und da wird auch Banking und so viel mehr über mobil gemacht wie bei uns. Da müsste die Infrastruktur für Podcasting eigentlich da sein. Ist das eine Frage des Datenvolumens?

Es ist auf jeden Fall auch eine Frage des Datenvolumens. Also, das ist so eine Geschichte, wie wir sie seit Jahren auch im Videobereich sehen, dass unsere YouTube-Kanäle zwar wachsen, aber absolut nicht in der Geschwindigkeit, in der sie in anderen Teilen der Welt wachsen. Und das liegt einfach daran, dass für Datenvolumen in Afrika die Preise sehr hoch sind. Auch wenn die Menschen Smartphones haben oder zumindest immer mehr Smartphones haben, können sie sich in vielen Gegenden häufig das Datenvolumen nicht leisten. Da ist dann  besonders nachgefragt, dass unsere Inhalte downloadbar sind, dass man, wenn man dann eben irgendwo ist, wo man mal WLAN-Zugang hat, dass man sich das dann runterladen kann. Und du hast angesprochen Radio UKW. Was auch sehr interessant ist, dass sich vor allem wenn man sich so anschaut, was für Handy-Modelle und Smartphone-Modelle verkauft werden in Afrika, dann haben die eigentlich immer einen eingebauten FM-Empfänger.

Das ist bei uns gar nicht mehr wirklich der Fall. Aber da ist es wirklich Kaufargument für viele Menschen zu sagen: „Ja, ich brauch dieses Modell, weil ich kann damit UKW empfangen.“ Und so muss man halt ein bisschen auf die lokalen Gegebenheiten schauen – die muss man im Hinterkopf mindestens behalten, wenn man eben darüber nachdenkt, wie können wir unser Programm, das wir vielleicht sowieso schon machen, wie können wir da nochmal alternative Ausspielwege wie zum Beispiel Podcast finden.

Sehr interessant ist zum Beispiel, das über soziale Medien Audio viel geteilt wird. Wir haben dann zum Beispiel WhatsApp-Gruppen, über die Radiomitschnitte geteilt werden. Oder wir haben Programme, die über USB-Sticks weitergetragen werden, an Partnersender natürlich häufig, aber auch  an Endverbraucher. Und das, was ich daran so spannend finde, ist, dass es einfach noch mal eine ganz andere Art ist, über Audio nachzudenken und über Ausspielwege. Weil man daran halt merkt: unser Modus, wie wir Audio kennen und hören und produzieren und verbreiten, ist nicht der einzige. Es gibt Alternativen.

Ihr versucht jetzt, ein Produkt zu entwickeln, das sag ich mal in Deutschland oder in den USA natürlich längst etabliert ist. Also, eine Radiosendung als Podcast zu veröffentlichen, ist natürlich für uns völlig unproblematisch und wird die ganze Zeit gemacht. Beim WDR, bei euch ja auch, das ist ja kein Ding. Aber die Anforderungen sind einfach nochmal andere, wenn man das für den afrikanischen Kontinent machen will, weil andere Netzabdeckung, andere Hörgewohnheiten und so weiter. Spannend ist: bei Twitter kann man jetzt plötzlich auch Audio twittern, eine Minute dreißig, momentan nur auf IOS. Ich glaube IOS ist noch nicht so ganz verbreitet in Afrika wie Android. Aber natürlich auch eine interessante Geschichte, warum macht Twitter das. Vielleicht auch wegen Afrika?

Ich kann ehrlich gesagt nicht so genau sagen, welche Rolle Twitter spielt in Afrika spielt.

Es gab in Nordafrika – wenn ich das kurz sagen darf – die große Widerstandsbewegung Tahirplatz, wo natürlich viel über Twitter lief. Ich glaube, da gibt es schon so ein paar Twitter-Nutzer. Du hast aber recht, ich weiß es auch nicht aus dem Kopf, ob das im Alltag eine große Rolle spielt. Da werden wahrscheinlich WhatsApp und andere afrikanische Social Networks vielleicht noch wichtiger sein.

Wir sehen ganz eindeutig, dass WhatsApp und vor allem auch Facebook die großen Kanäle sind, auf denen auch wir vertreten sind. Wir speziell jetzt aus der Afrika-Redaktion. Aber klar, das ist super interessant und wird vielleicht mit diesen Audio-Tweets, die Twitter jetzt eingeführt hat, die ganze Diskussion vielleicht nochmal in eine andere Richtung bringen. A

Was ist denn der aktuelle Stand bei euch gerade? Also habt ihr einfach nur eine Idee gebrainstormt? Oder seid ihr schon dabei was umzusetzen?

Wir haben eigentlich relativ spontan – ich sag mal so ein Jahr, zwei Jahre – so ein bisschen im Hintergrund, irgendwie drüber gesprochen, was man so machen könnte.

Spontan ein, zwei Jahre lang. Typisch Deutsche Welle, würde man jetzt sagen.

Sorry, das war nicht gut ausgedrückt. Ich hoffe, dass ich da jetzt von den entsprechenden Verantwortlichen …

Du meintest wahrscheinlich: „Schon seit 2 Jahren drüber nachgedacht und spontan habt ihr euch jetzt für die Audiocamp-Session verabredet.“

Nein, anders_ Wir haben ein, zwei Jahre drüber nachgedacht, verschiedene Formate mal irgendwie durchgespielt, aber was dann am Ende jetzt daraus geworden ist, ist tatsächlich unser erster Podcast, den wir jetzt originär produzieren in der Afrika-Redaktion. Und im Prinzip ist das ein Podcast zum Coronavirus in Afrika. „Coronavirus Special Podcast“ nennen wir den.

Mit dem afrikanischen Christian Drosten?

Mit Cai Nebel, das ist unser Kollege, der afrikanische Christian Drosten. Das ist quasi ein afrikanisches Take: Afrikanische Perspektiven auf das Coronavirus. Wir haben das bisher immer zweimal die Woche veröffentlicht. Und das ist wirklich aus der Not heraus entstanden, was ja auch nochmal eine ganz interessante Sache ist, wenn man über das Medium Podcast an sich nachdenkt. Aus der Not heraus entstanden, dass Cai gerade aus dem Volo kam und niemand da war, niemand vor Ort sein konnte, ihn einzulernen, auf seine neuen Schichten in der Redaktion. Und dann war so ein bisschen die Überlegung, was macht Cai. Und was dabei herausgekommen ist, ist eben dieser Podcast, der, wie ich finde, auch für uns innerhalb des Programms nochmal inhaltlich ganz andere Möglichkeiten geschaffen hat. Einfach durch die Länge, also wir haben den jetzt bei irgendwie sechs bis acht Minuten, das ist auf jeden Fall um einiges länger als unsere klassischen Beiträge, die wir in dem Magazin-Sendung haben. Die sind dann doch immer zwei, drei Minuten lang.

Und dass man vielleicht auch mal zu einem Thema mehrere Perspektiven aus mehreren afrikanischen Ländern zusammentragen kann. Wir greifen natürlich auch wieder ganz stark auf unser Korrespondenten-Netzwerk zurück. Was Cai gerade auch in der Session berichtet hat, was total spannend ist, was aber auch sehr interessant ist, weil natürlich die Korrespondenten selbst erst lernen müssen, wie sie für dieses neue Format produzieren. Die sind eben gewohnt, ihre zwei bis drei minütigen Beiträge bei uns abzuliefern. Mit ein paar O-Tönen und so was. Und das wir jetzt aber sozusagen ein bisschen offener sein wollen, so ein bisschen auch eine direkte Ansprache direktere Anspruchshaltung haben wollen.

Und umgekehrt ist es ganz interessant, dass unsere Partnersender, die dieses Programm der Deutschen Welle in diesen Sprachen, die ich vorhin genannt habe, wird in Afrika über Partner ausgestrahlt. Es ist nicht so, dass man in die Deutsche Welle rein tunt. Und diese Partnersender wiederum fragen jetzt Inhalte aus dem Podcast nach, die sie dann wieder im linearen Radio spielen. So sieht man dann, dass es geht, so ein bisschen in beide Richtungen. Manchmal haben wir dann Radiobeiträge, die dann für den Podcast verwendet werden. Dann haben wir wiederum Beiträge aus dem Podcast, der Podcast, der dann wieder im linearen Radio gespielt wird. Also befruchtet es sich gegenseitig.

Das heißt ihr lieft damit auch schon im Radio, mit dem was ihr da gemacht habt?

Ganz genau. Ich kann jetzt ehrlich gesagt nicht genau sagen, ob das, ob das dann in voller Länge so gespielt wird oder ob es dann nur einzelne Fragmente sind, die da rausgenommen werden.

Wie heißt der Podcast? Wo kann man ihn anhören?

Der heißt „Coronavirus Special Podcast“, und den kann man anhören über den Africa-Link-Feed.  Also Africa-Link ist eben unser Flaggschiff Radio. Aus dem englischen Programm der Afrika-Redaktion. Africa-Link auf Englisch mit C geschrieben. Ja, das ist natürlich auch nochmal so eine Sache, dass wir gerne den eigenen Feed dafür gehabt hätten, aber weil es eben so spontan, so schnell gehen musste, wir uns dann dafür entschieden haben, auch so ein bisschen, weil wir davon ausgegangen sind, dass vielleicht nicht so viele tatsächlich über diesen Podcast-Abofeed hören, aber vielleicht eher über die Webseite, vielleicht dann doch eher über das lineare Programm. Haben wir eben uns dafür entschieden, unseren etablierten Kanal sozusagen dafür zu verwenden. Das sind auch so Sachen, über die wir immer noch nachdenken und wo wir jetzt auch ganz viel lernen in diesem Prozess.

Sehr cooler Einblick in die afrikanischen Podcasts-Szene. So ein bisschen zumindest. Wir haben ja eigentlich weniger über die Podcasts aus Afrika gesprochen, sondern eher, was ihr da so macht. Aber das ist auf jeden Fall sehr, sehr spannend. Jetzt seid ihr hier, bei einem virtuellen Barcamp der Landesanstalt für Medien NRW: War es dein erstes Barcamp? Wie war da so die Experience?

Nee, das war nicht mein erstes Barcamp, aber mein erstes digitales Barcamp und mir gefällt dieses Format total. Das ist wirklich erstaunlich gut, das auch auf diesem virtuellen Weg funktioniert, dass man ein bisschen früher in den selben Zoom-Raum reinkommt und sich noch ein bisschen unterhält oder vielleicht noch ein bisschen länger bleibt. Das läuft wirklich erstaunlich smooth.

Habt ihr Feedback bekommen von den Teilnehmern? Oder wie man so schön sagt, von den Teilgebern?

Teilgebern. Ja, das haben wir in der Tat. Bei unserem Thema ist es natürlich ein bisschen schwierig, weil es ja doch sehr nischig ist. Deswegen waren jetzt auch nicht alle – ich weiß jetzt nicht, wie viele Teilnehmer es insgesamt sind – bei uns in der Session. Aber es gab doch ein paar, die auch die auch ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben und die auch schon die Kontakte haben zu Radiomacher*innen in Afrika und da auch schon ein bisschen über das Thema Podcast nachgedacht haben. Wir haben ein bisschen über Ausspielwege gesprochen, wie auch über die Deutsche Welle, die ja nicht nur auf der Produktionseite, auf der Programmseite aktiv ist in Afrika, sondern auch über die Deutsche Welle Akademie, die auch Medienentwicklung macht, über Podcast, ob das vielleicht auch in Zukunft ein Thema sein kann. Da kam für mich dann doch irgendwie auch überraschend gute Rückmeldung.

Ja, sehr cool. Wenn man dich im Internet anschreiben möchte, mit der Kontakt aufnehmen möchte, was ist da die Empfehlung von dir?

twitter.com/jan_whm

 

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