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„Sie sind mutig und frech und trauen sich was!“

Wir unterstützen gemeinsam mit der Landesanstalt für Medien NRW Medien in Nordrhein-Westfalen dabei zukunftsfähig zu bleiben und zu werden. Der Nachwuchs & die passende Ausbildung spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Deswegen unterstützt die LFM NRW schon lange die Campusradioszene in NRW und richtet zum Beispiel den jährlich den Campusradiopreis aus. Zusätzlich stellt die Medienanstalt NRW die UKW-Sendelizenzen bereit und bietet umfangreiche Weiterbildungsangebote für den Nachwuchs. 

Wir haben mit Colleen Sanders über die Bedeutung des Campusradios in NRW gesprochen. Sie ist seit 2017 Chefredakteurin bei Radio Lippe-Welle Hamm, hat ihre berufliche Laufbahn beim Lokalfunk und beim Campusradio begonnen und ist jetzt u.a. in der Jury des Campusradiopreises dabei und gibt Seminare für Campusradio-Mitarbeitende in NRW.

Photo by Fringer Cat on Unsplash

Hallo, liebe Colleen, was verbindet Dich mit dem Campusradio?

Ich habe in Köln Anglistik, Germanistik und Philosophie studiert. Während der Zeit war ich beim Kölner Campusradio aktiv, damals hieß es noch Campus Welle Köln. Zu der Zeit hatte es noch keine eigene Frequenz, sondern wir haben im Rahmen des Bürgerfunks von Radio Köln stundenweise gesendet. Das heißt, wir mussten nicht einen ganzen Tag mit Programm füllen und hatten gleichzeitig nicht die Haftbarkeit, die eine klassische Sendelizenz mit sich bringt.

Das war eine tolle Zeit, ich konnte viel ausprobieren und abseits von bestehenden Sendeschemata Beiträge oder Reportagen machen. Ich erinnere mich z.B. noch gut an eine Live-Moderation damals, die wir vom Medienforum gemacht haben. Das war total spektakulär. Ich war als Moderatorin dabei, weil ich damals bereits Erfahrung im Lokalfunk gesammelt hatte. Der Aufbau der Technik und das Live-Senden – Das war damals echt noch ein riesiger Aufwand im Vergleich zu heute.

Wie hat sich das Campusradio in NRW denn seit Deiner Zeit dort weiterentwickelt?

Beim letzten Campusradio-Tag an der Uni Köln, der war dort 2019, bin ich sozusagen an meine alte Wirkungsstätte zurückgegangen und mir wurde das neue Studio gezeigt. Und da hab ich gedacht: „Wow, das ist ja wie ein richtiges Radio!“ Die technische Ausstattung war fantastisch, die Möglichkeiten der Automatisierung und dass immer irgendwas auf der Antenne ist – das ist wirklich ein selbst gemachtes, komplett organisiertes Radio. Dazu mit einem Ausbildungsplan und Struktur, Leitbild für das Programm bis hin zu einer Philosophie des Radios. Und dabei eben noch die Möglichkeit zu haben, offener für Neues zu sein, als z.B. in einem Formatradio.

Das ist immer schön zu sehen, wie gut die Campusradios heute aufgestellt sind, wie gut sie organisiert sind und dann gleichzeitig auch, wie viel Lust die beteiligten Leute haben. Die heutigen Campusradios sind eben richtige Radios und dazu noch multimedial aufgestellt. Social Media gehört automatisch dazu und die Beteiligten entwickeln dafür spezifische Strategien: Was für Content wollen wir da haben? Was können wir von unserem Radioprogramm in diese Kanäle ziehen? Also im Grunde genau das Gleiche, was wir bei unserem Sender auch machen. Und es gibt Chefredakteurinnen und Chefredakteure, Redaktionskonferenzen und ich habe das Gefühl, es ist nicht mehr so leicht chaotisch „Und los geht’s!“, wie zu meiner Zeit dort, sondern wirklich durchdacht und geplant. Das ist wirklich super! Und das merken wir natürlich dann z.B. auch in der Juryarbeit beim Campusradiopreis, weil zum Teil Beiträge auf einem sehr hohen Niveau eingereicht werden.

Was ist für Dich das Besondere bei der Arbeit im Campusradio?

Beim Campusradio können sich die Studierenden richtig ausprobieren und das ist sehr schön. Deswegen macht es glaube ich auch so viel Spaß. Du kannst da wirklich hinkommen, Themenvorschläge vorschlagen, dich einbringen, dich ausprobieren. Du kannst einfach mal eine Sendung moderieren und viel experimentieren und in der Redaktion zusammen verrückte Serien umsetzen, irgendwelche Selbsttests, Reportagen oder Aktionen machen oder ganz neue Formate erfinden.

Man darf selber entwickeln und gestalten. Man darf einfach Radio machen in einem geschützten Raum und gleichzeitig so offen. Und wenn die Sendung mal in die Hose geht, ist es auch kein großes Drama. Und das läuft aktuell in Nordrhein-Westfalen auf so einem hohen Niveau, mit professioneller Ausstattung, mit allem, was man dafür braucht, mit einer guten Anweisung und mit der Möglichkeit, sich fortbilden zu lassen.

Inwieweit hilft Campusradio und die Ausbildung dazu den Medien-Nachwuchs zu fördern?

Erstmal ist das Campusradio ein ganz wertvoller Kontakt zum ganz klassischen Medium Radio für junge Menschen, die sich für Journalismus interessieren. Es findet an der Uni statt, ist ganz positiv belegt, weil man gemeinsam schöne Erfahrungen macht. Und das muss für uns alle, für die ganze Branche, schon eine wertvolle Erkenntnis sein.

Und natürlich haben wir ganz viele Fälle, in denen Absolventinnen und Absolventen, die im Campusradio aktiv waren, sich bewerben und dann durch ihre Erfahrung sehr, sehr gute Chancen in den Redaktionen haben.

Also Campusradio als ein optimaler Einstieg in die Medienbranche?

Genau. Inzwischen ist das eine optimale Vorbereitung auf das, was in den Redaktionen passiert, weil wir ja alle multimedial arbeiten. Kommt man vom Campusradio, weiß man schon, welcher Content funktioniert auf welchem Kanal. Und vor allem hat man schon Erfahrungen zu Fragen wie „Wie generieren wir Content aus unserer Community? Wie pflegen wir unsere Community?“ Und das ganze Management, was da dran hängt.

Die Redaktionen können auch selber sehr viel von den jungen Journalistinnen und Journalisten lernen, das finde ich besonders wichtig. In den ersten Jahren war es bei uns in der Redaktion so, dass unsere Volos von der Uni uns bei Social Media auch viel beibringen konnten. Sie haben viel Input reingebracht, hatten Ideen für Projekte und damit unsere Präsenzen wesentlich weiterentwickelt. Das war richtig cool. Inzwischen gehört Social Media natürlich als fester Bestandteil mit dazu, aber wir schätzen den Input unserer Volos sehr und können ihnen im Gegenzug vielleicht auch etwas mehr Freiraum für eigene Projekte geben.

Campusradio lohnt sich auch, weil diese Radio- und Moderationserfahrung und Umgang mit der eigenen Stimme für die eigene Persönlichkeit eine unheimlich gute Schulung ist. Vielleicht hat Radio da anderen Medien auch ein bisschen was voraus, zumindest dem reinen Schreiben, weil man mit der eigenen Persönlichkeit noch mal ganz anders in Kontakt kommt und sich selber stärker reflektiert. In dem Moment, in dem du das Mikro aufmachst und anfängst eine Sendung zu moderieren und denkst: „Bin ich das wirklich?“ Da passiert ein ganzes Stück Persönlichkeitsentwicklung und man nimmt Selbstbewusstsein daraus mit. Man lernt die Stimme richtig einzusetzen, wie sie klingen kann und ob man schlagfertig ist im Dialog oder nicht. Ob man beim Sprechen der spontane Typ ist, ob Stichworte reichen oder ob man ganze Texte braucht, das sind ja auch alles so Dinge in der persönlichen Entwicklung. Dafür halte ich die Arbeit beim Campusradio auch für sehr wertvoll.

Blonde Frau mit Brille lächelt in die Kamera
Colleen Sanders ist Chefredakteurin von Radio Lippewelle Hamm.

Hast Du irgendwas aus Deiner Startzeit bis heute in Deine Arbeit mitgenommen?

Das ist eine gute Frage. Das ist jetzt echt schon lange her. Also mein Kontakt zum Radio hat eigentlich schon noch ein bisschen früher angefangen, weil ich in meiner Schulzeit meine erste Bürgerfunk Sendung gemacht habe. Da habe ich das zum ersten Mal gecheckt, dass man so Inhalte transportieren kann und sagen kann, was einem wichtig ist. Das haben wir beim Campusradio genauso gemerkt. Das war nämlich da schon ganz anders als damals meine freie Mitarbeit im Lokalradio, wo ich klare Aufträge hatte: Du gehst dahin und machst daraus als Reporterin einen Bericht und dabei soll diese Art von Ergebnis rauskommen.

Beim Campusradio konnte ich dann auch einfach mal sagen, ich finde das Thema unheimlich wichtig, dann musste es auch nicht unbedingt für alle relevant sein. Und dann konnte ich dazu einfach recherchieren und bauen und hatte da natürlich auch viel mehr Freiheit. Das fand ich richtig cool, das weiß ich noch und das hat den Kopf ein bisschen weiter gemacht. Ich glaube, das ist etwas, was ich dabei auch gelernt habe und was mir heute auch immer noch hilft.

Und natürlich Vereins- und Gremienarbeit. Das war eigentlich mein erster Kontakt mit sowas, dass wir dann Sitzungen hatten und eine Satzung und das kannte ich vorher gar nicht. Und die Erfahrung zu machen, da gibt es so eine Gruppe und die bewegen was und die organisieren was und man übernimmt Verantwortung und hat ein Amt, für das man zuständig ist. Kommunikation miteinander ist auch etwas, das man lernt. Also es gibt unheimlich viel zu lernen, auch für andere mitzudenken und zu überlegen: Wenn wir das machen wollen, was brauchen wir denn dafür? Das sind natürlich total wertvolle Sachen.

Du bist ja inzwischen Jurymitglied beim Campusradiopreis. Wie nimmst du die Szene aus der heutigen Brille wahr?

Also das ist natürlich sehr unterschiedlich, die Skala ist sehr weit. Es gibt da Beiträge von Studierenden, die vielleicht gerade erst angefangen haben und ihre allerersten Gehversuche einreichen. Wobei das vielleicht auch etwas ist, das sich gerade verändert. Es gibt jetzt mehr interne Abstimmungen, was reichen wir ein oder wer soll denn was einreichen?

Besonders schön finde ich immer, wenn es sehr kreative Sachen sind, die gibt es sehr oft. Wirklich kreative Konzepte. In Erinnerung geblieben ist mir z.B. eine Talksendung in Kneipenatmosphäre mit verschiedenen Gästen. Das war unheimlich charmant gemacht und jedes einzelne Take dazu war  sehr kreativ und mit ganz viel Zeit und Liebe produziert.

Und dem gegenüber stehen dann ganz klassische Elemente, viel Hochschulpolitik und viele Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulpolitik, aber auch z.B. aus der Kommunalpolitik. Und da merke ich diesen hohen Anspruch, den die Beteiligten haben. Sie sind unheimlich gut vorbereitet und haben hohe Anforderungen an sich selber: Kritischer Journalist, kritische Journalistin zu sein, das hört man ganz stark daraus. Sie gehen dann richtig taff in die Interviews rein und unterbrechen die Interviewpartner*innen auch frech und haken nach und lassen sie nicht so von der Angel. Das finde ich schon echt beachtlich.

Und das andere ist eben dieser kreative Zweig. Deswegen ist die Mischung sehr gut. Dann macht es Spaß beim Anhören. Sie sind mutig, die sind frech, die trauen sich. Und ich finde es ganz persönlich schön, dass junge Leute sich mit dem Radio beschäftigen. Wenn ich sehe, dass meine Seminare, die ich für Campusradio-Redaktionen anbiete, immer ausgebucht sind, dann freue ich mich total. Manche in der Profi Radioszene denken manchmal, junge Journalistinnen und Journalisten wollen gar nicht mehr ins Radio. Aber das stimmt nicht, denn die Stimme und besonders der Live-Charakter funktionieren insgesamt immer noch total gut.

Das ist auch immer so eine schöne Erkenntnis aus den Seminaren, dass die Teilnehmenden sagen, ich finde das cool, wenn etwas live ist. Und der Wunsch nach Live-Interaktion ist auch immer sehr groß. Sie wollen so richtig live Radio machen und das finde ich total schön.

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