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Menschen setzen in Krisenzeiten auf Lokalradios

Die Bevölkerung setzt auf Lokalradio – gerade in Krisenzeiten. Das wurde bei der Hochwasserkatastrophe in Deutschland vor wenigen Wochen mehr als deutlich. Gleichzeitig hat diese Ausnahmesituation das Lokalradio auch vor viele Herausforderungen gestellt und seine Grenzen aufgezeigt. In der Audiocamp-Session „Lokalradio und seine Rolle in Krisensituationen“, angeboten von Thorsten Kabitz vom Verein der Chefredakteure des NRW Lokalfunks und Chefredakteur beim Radio RSG ging es genau darum.

Photo by Jacob Hodgson on Unsplash

Zu Beginn der Session hat Thorsten Kabitz die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit auf eine Reise zurück in die Hochwasser-Nacht vom 14. Juli 2021 mitgenommen. Er hat von seinen eigenen Erfahrungen erzählt, Bilder gezeigt und Ausschnitte aus Radioberichten abgespielt. Georg Rose, Chefredakteur beim Radio Wuppertal, und Norbert Jeub, Chefredakteur beim Radio Euskirchen, berichteten ebenfalls, wie sie die Hochwasser-Nacht, sowie die ersten Tage danach erlebt und journalistisch begleitet haben. Diese persönlichen Einblicke ließen eine sehr emotionale Stimmung in der Session entstehen.

Lokalfunk als wichtige Informationsquelle im Notfall

Nicht nur die eigenen Erfahrungen der drei Journalisten, sondern auch der schlagartige Anstieg der Hörerinnen- und Hörerzahlen, sowie die enorme Interaktion mit den Radiosendern via Whatsapp, Social-Media-Kanälen oder durch Anrufe zeigen welchen Stellenwert das Lokalradio nach wie vor in Krisenzeiten hat. Daher war die Frage der Session nicht, welche Bedeutung das Lokalradio während solch einer Krisensituation hat – denn das stehe außer Frage –, sondern was aus dieser Situation gelernt werden kann und welche Ressourcen der Lokalfunk braucht, um seiner Rolle als zuverlässige Informationsquelle für Bürgerinnen und Bürger in jeder Situation, gerecht zu werden.

Georg Rose, der aus dem Studio des Senders Radio Wuppertal berichtet hat, hat sich vor allem Gedanken zu dem Thema Aufarbeitung gemacht: Woran lag es, dass viele Warnmeldungen zu spät kamen? Was muss passieren, damit Radiosender besser aufgestellt sind und sie helfen können? Der Journalist hat dazu 10-Punkte-Plan erstellt: Ein wichtiger Punkt ist, dass die Notstromversorgung ausgebaut und für mind. 24 Stunden gesichert werden muss. Ein weiterer Punkt des Plans ist, dass eine bundesweite Marketing-Kampagne gestartet werden muss, die besagt, dass in jeden Haushalt ein batteriebetriebenes Radio gehört, um so auch im Notfall mit den wichtigsten Informationen versorgt werden zu können. Denn die Social-Media-Kanäle sind als Informationsquelle nicht mehr verfügbar, wenn die Stromversorgung nicht mehr gegeben ist. Darüber hinaus scheint der Reflex „Sirene an, Radio an“ auch generationsübergreifend zu funktionieren.

Klare Regeln für Krisenfälle nötig

Norbert Jeub hat mit seinem Team genau das erlebt, was Georg Rose bereits angeschnitten hat: Mit zwei anderen Kolleginnen und Kollegen hat er die Hochwasser-Nacht im Studio des Senders Radio Euskirchen verbracht, um möglichst schnell Hörerinnen und Hörer mit Informationen zu versorgen. Doch die Stromversorgung schwankte und am Folgetag konnte gar nicht gesendet werden, weil Leitungen wortwörtlich „abgesoffen“ sind. Auch er fordert, dass diskutiert wird, inwieweit Lokalradios eine öffentlich-rechtliche Unterstützung erhalten, denn Lokalradios übernehmen eine Aufgabe, die für die Gesellschaft relevant ist und gibt Menschen – auch in Ausnahmesituationen – zuverlässig Orientierung.

Im weiteren Verlauf der Diskussionsrunde wurden konkrete Forderungen herausgestellt: Jede Station braucht einen analogen Katastrophensender, sodass man UKW-Frequenzen bei Stromengpässen und Leitungsunterbrechungen hochfahren kann und es müssen Bereitschaftsdienste in den Lokalradios erarbeitet werden. Georg Rose sagt auch: „Es muss auf den Tisch: Wer ruft wen wann an?“ Denn Feuerwehrstellen und Rettungsdienste wurden in den letzten Jahren mit Nachrichtensystem ausgestattet, aber es ist nicht geklärt, wer diese Nachrichten liest. Ein weiterer Punkt ist, dass überlegt werden muss, wie man in Sendegebieten handelt, wo kein oder wenig Deutsch gesprochen wird.

Auch Vertreter von VAUNET Technik, der Landesanstalt für Medien NRW und des gemeinnützigen Vereins Aktion Lichtblicke e.V. meldeten sich in der Session zu Wort: Sie bedankten sich für die journalistischen Tätigkeiten, wie auch dafür, dass sie die Diskussion rund um Lokalradio wieder neu aufleben lassen. Die lebhafte und emotionale Diskussion hat gezeigt, dass die Bilder der Hochwasserkatastrophe noch immer in den Köpfen der Menschen sind und zum Nachdenken angeregt haben, denn es besteht offensichtlich Handlungsbedarf mit Blick auf die Rolle von Lokalradio im Rahmen des Katastrophenschutzes.

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