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Vocca – die kooperative Journalismusplattform aus und für NRW

Die Idee eines Spotify für Journalismus wabert bereits seit vielen Jahren durch Zukunftsdiskussionen in der Medienbranche. Viele Beispiele – vor allem von langfristigem Bestand – gibt es allerdings nicht. In Nordrhein-Westfalen wird seit zwei Jahren ein vielversprechendes Projekt entwickelt, das die Idee aufnimmt und umsetzt. Über die App Vocca werden lokale Audio-Informationen gebündelt und ausgespielt. Besonders spannend: die Kooperation von öffentlich-rechtlichen sowie privaten Medienhäusern. Wir haben mit Tobias Lammert und Dominik Lambertz aus dem Team über die Hintergründe und den aktuellen Stand gesprochen. 

Aktuell läuft die Beta II Testphase in NRW– wenn Du vocca testen möchtest: hier geht’s direkt zum Download.

Hallo Tobias, hallo Dominik, könnt ihr kurz beschreiben, was hinter dem Projekt Voyager steckt? Welches Produkt entwickelt ihr?

Dominik Lambertz: „Voyager“ ist ein Innovationsprojekt in Kooperation aus der WDR mediagroup aus Köln, der ams – Radio und und MediaSolutions aus Bielefeld, sowie 1PTA, einem Technologie-Startup mit Sitz in Köln und Darmstadt. Nutzer*innen erhalten mit der App Vocca Zugriff auf eine offene, kooperative, medienkonvergente Inhalteplattform für Nachrichten und Interessantes aus ihrer Region. Diese werden von einer Text-to-speech-KI automatisch in Audioform umgewandelt. Ausgewählte Inhalte vertonen wir zudem mit menschlichen Sprecher*innen. Im Endergebnis erhalten User*innen so ein personalisiertes Audio-Magazin auf Basis ihrer Interessen und Präferenzen. Die App ist so aufgebaut, dass Nutzer*innen auf die originären Plattformen der Inhalteanbieter gelenkt werden und dort weitere Inhalte entdecken können. Das ist einer der Anreize für potentielle Content-Partner, sich vocca anzuschließen. Dazu können sie Reichweite und Markenbekanntheit steigern und somit neue Zielgruppen erschließen.

Wie ist die Idee zu der Plattform entstanden? Wer war beteiligt?

Tobias Lammert: Vor Hintergrund, dass die Konkurrenz auf dem Medienmarkt nicht mehr nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk und private Anbieter, sondern die großen Tech-Konzerne sind, haben WDR und WDR mediagroup gemeinsam und im Austausch mit dem NRW-Lokalfunk und Radio NRW dafür geworben, nicht gegeneinander zu arbeiten, sondern neue Wege für ein Miteinander zu finden, die rechtlich möglich und zielführend sind, um die Radiolandschaft NRW zu stabilisieren. Innovation ist eine wesentliche Säule dieses Ansatzes, den Voyager verfolgt. In diesem Projekt mit den Zukunftsthemen „On-Demand-Audio“ und „Coopetition“ arbeiten der NRW-Lokalfunk mit der ams, das Startup 1PTA GmbH und die WDR mediagroup GmbH eng zusammen. Um ein derartiges Projekt im Verbund aus mehreren Unternehmen – und neben dem regulären “Tagesgeschäft” – zu realisieren, braucht es auch eine Grundlage an finanziellen Ressourcen. Das Förderprogramm Audio Innovation des Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien mit dem Schwerpunkt Kooperation kam für uns in 2021 genau zur richtigen Zeit.

Was ist das Einzigartige an Plattform vocca ?

Tobias: Die Anzahl und die Vielfalt von Inhalten im Digitalen wachsen weiterhin rasant an. Als User*in hat man kaum noch eine Chance, den Überblick zu behalten. Ebenso schwierig ist es, auf Inhalte, die mich besonders interessieren könnten, aufmerksam zu werden. Wir verbinden Vieles von dem, was heute erwartet und von Nutzenden gesucht wird: Inhalte werden kuratiert und empfohlen – zugleich sind das keine Inhalte, mit denen man in einer Echo-Kammer bleibt und immer nur seine eigene Meinung bestätigt bekommt. Wir haben einen echten „Vielfaltsgenerierungs-Algorithmus“ gebaut, der auch neue, überraschende Inhalte präsentiert, die trotzdem zu den von Nutzenden hinterlegten Interessen passen können. Das Abwählen bestimmter Quellen ist nicht möglich. Zudem schaffen wir ein lineares, sequenzielles Inhalte-Erlebnis, das den Convenience-Erfordernissen moderner Mediennutzung entspricht. Ebenso bieten wir die Möglichkeit, die Inhalte barrierefrei zu erleben, also sowohl hören als auch lesen zu können.

Ihr seid im Oktober in die Beta2 Phase gestartet – was bedeutet das? Was ist jetzt in eurer App verfügbar? Wie funktioniert sie? Und was habt ihr in der Beta1 getestet?

Tobias: Viele einzelne lokale, regionale und überregionale Angebote vernetzen und den Usern ein maßgeschneidertes, aktuelles und kompaktes Angebot in der App bieten – das ist das erklärte Ziel von vocca. Im Frühjahr haben wir das bereits in Betaphase I in Ostwestfalen gestartet. Die gesammelten Erkenntnisse zur Nutzung und die Ausweitung des inhaltlichen Angebots haben wir in den aktuellen Stand eingebaut. In der zweiten Betaphase soll vocca weiterwachsen und sich auf Basis des User-Feedbacks entwickeln. Ein Ziel der Beta-II-Testphase ist es, mit unserem neu aufgesetzten Mobile-App-Tracking verlässliche Nutzungsdaten zu generieren, auf deren Basis wir Annahmen für zukünftige Ausbaustufen der App skalieren können.

Welche Medienpartner habt ihr aktuell mit an Bord?

Dominik: Als Content-Partner konnten wir für Beta-II bislang über 30 Lokalradiosender aus NRW gewinnen. Außerdem steuern renommierte Medienhäuser wie WDR, RND, Euranet und mehrere Regionalzeitungen (u.a. Neue Westfälische) sowie Online-Angebote (z.B. RUMS) Inhalte bei. Wir arbeiten stetig daran, das Inhalte-Portfolio zu erweitern und sind für neue Content-Partnerschaften offen.

Wie groß ist das Team, das aktuell an Vocca arbeitet?

Dominik: Aktuell besteht das Team aus insgesamt elf Personen, die aktiv an vocca arbeiten. Dabei arbeiten allerdings alle nicht in 100 Prozent an dem Projekt, sondern „nur“ als Teil ihres „normalen“ Jobs. Von ams und der WDR mediagroup sind jeweils vier Leute dabei, von 1PTA zwei Mitarbeitende. Zusätzlich gibt es seit ca. einem halben Jahr eine zusätzliche Position zur Projektkoordination. Das nimmt in einem so diversen Team mit Menschen aus verschiedenen sehr hilfreich.

Wie arbeitet ihr an den verschiedenen Standorten zusammen?

Dominik: Um die Projektarbeit effizienter zu gestalten, haben wir uns in die vier wesentlichen Arbeitsfelder Projektsteuerung, Product, Content und Marketing aufgeteilt. Hinzu kommt das Feld CRM, welches sich gerade im Aufbau befindet und mit steigenden Userzahlen eine immer größere Rolle spielt.
Passend zu unserer Plattform würde ich unsere Zusammenarbeit vorwiegend als digital und agil beschreiben: Einmal pro Woche haben wir einen einstündigen Austausch mit allen Projektbeteiligten per Videocall. Unter der Woche erfolgt der Austausch meist innerhalb kleinerer Arbeitsgruppen. Einmal pro Monat trifft sich das gesamte Projektteam für einen ganztägigen Präsenz-Workshop, um gemeinsam zu brainstormen, zu diskutieren und nächste Schritte abzustimmen.

Beschreibt doch bitte eure Entwicklungsstufen des Projekts. An welchen Stellen konnten wir euch mit den Programme des Journalismus Lab unterstützen?

Tobias: Im Rahmen des Förderprogramms Audio Innovation wurde zunächst die Entwicklung eines Proof of Concept für eine offene, kooperative Audio-Plattform gefördert. Auf dieser Basis konnte im zweiten Schritt ein Minimal Viable Product (MVP) entstehen, um erste Nutzerinnen und Nutzer sowie weitere Content-Partnerschaften zu gewinnen. In der Vorbereitung der Beta-II-Testphase waren wiederum die Programme der Media Innovation Masterclass und des NRW Media Traineeships sehr hilfreich für das Projekt. Saskia Huthmacher, Alina Mielemeier und Hannah Schürkamp konnten im Rahmen der Masterclass wertvolle Erkenntnisse zu den Bedürfnissen der „vocca“-User*innen generieren, die nun auch direkt in die Weiterentwicklung unserer App einfließen. Mit Dominik Lambertz als Trainee hatten wir zudem erstmals einen Mitarbeiter, der sich in den vergangenen Monaten in Vollzeit um Voyager kümmern und das Team in unterschiedlichen Bereichen unterstützen konnte.

Vor welchen Herausforderungen habt ihr im Projektverlauf gestanden? Wie habt ihr sie gemeistert?

Tobias: Immer wieder „hart iterieren“ war wirklich eine Herausforderung. Immer, wenn wir dachten, dass wir einen guten Stand haben, kam das bewusste Hinterfragen dieses Status, auch im Austausch mit potenziellen Userinnen und Usern. So wurden auch einzelne Entwicklungen oder auch Vorprodukte wieder eingestampft und neue Pfade beschritten.
Eine große Herausforderung war auch die Zusammenarbeit über drei Unternehmen und drei verschiedene Unternehmenskulturen hinweg, zu Beginn des Projektes sogar meist remote unter Pandemiebedingungen. Parallel hat jede*r von uns auch noch einen Hauptjob. Wir müssen uns zu Beginn der monatlichen persönlichen Treffen und Projektmeetings auch immer erst wieder „einschwingen“, das funktioniert inzwischen aber immer besser. Geholfen hat hier, dass wir mit Hillevi Lausten eine hauptverantwortliche Projektkoordinatorin eingestellt haben.

Lieber Dominik, Du hast im Rahmen deines NRW Media Traineeships 5 Monate im Projekt Voyager mitgearbeitet. Wie bewertest du das Projekt im Blick auf zukünftige Mediennutzung? Welches Arbeitsprojekt konntest du in deiner Zeit bei Voyager unterstützen?

Die Idee hinter der vocca-App hat in meinen Augen das Potenzial, vielen Problemen entgegenzuwirken, die bei der aktuellen Mediennutzung vieler Menschen zu Tage treten. Wir sind inzwischen häufig einem schier unendlichen Content-Chaos und den dahinterstehenden Algorithmen ausgeliefert. Diese verleiten meist dazu, extrem viel Zeit innerhalb der Apps bzw. Plattformen zu verbringen und bieten den User*innen in der Regel nur sehr beschränkte Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen ihres Medienkonsums selbst zu beeinflussen. Es ist ein ständiger Balance-Akt zwischen Konsumscham und FOMO, also der Angst etwas zu verpassen. Das möchte vocca anders machen. Das Projekt und die App befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, aber ich würde mir wünschen, dass vocca sich über die Beta-II-Testphase hinaus zu einer echten Alternative für vielfältigen, selbstbestimmten und nachhaltigen Medienkonsum entwickelt.

Für mich persönlich war die Zeit im “Voyager”-Projekt ein extrem spannender Start in mein Traineeship. Offiziell war ich bei der WDR mediagroup eingesetzt, durch den Aufbau des Projekts konnte ich jedoch innerhalb weniger Monate bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit drei unterschiedlichen Unternehmen sammeln. Da ich als einziges Mitglied des Projektteams in Vollzeit für “Voyager” arbeiten konnte, hatte ich die Chance, Einblicke in verschiedenste Projektbereiche zu erhalten. Am meisten konnte ich die Kollegen und Kolleginnen in der Projektkoordination, Redaktion und im Content Partner Management unterstützen. Ich hatte aber auch Berührungspunkte mit Arbeitsfeldern rund um die Themen Mobile-App-Tracking, UX oder Marketing. Ich bin dankbar für die vielfältigen Eindrücke und sehr gespannt, nun zu verfolgen, wie das Ergebnis unserer Arbeit bei den Nutzenden ankommt.

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