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Wie sich innovative Medien-Startups weltweit finanzieren

Der Blick über den Tellerrand der deutschen Medienlandschaft kommt oft zu kurz – und richtet sich, wenn überhaupt, meist gen USA. Wie lohnenswert die Beschäftigung mit internationalen Medien-Startups sein kann, zeigte Pauline Tillmann in ihrer Session beim Cashcamp des Journalismus Labs.

Startup
Idea Sprint: Jedes Startup beginnt mit der Sammlung von Ideen, Beobachtungen und Aufgaben. (Foto: epicantus / unsplash.com)

Tillmann, hierzulande vor allem als Gründerin des Digitalmagazins Deine Korrespondentin bekannt, hat während der vergangenen zwei Jahre das Digital Media Pioneers Network der DW Akademie betreut. Das Netzwerk besteht aus 16 Medien-Startups aus dem globalen Süden, die vor vier bis zehn Jahren gestartet sind und im Schnitt 20 bis 30 Mitarbeiter*innen haben.

Internationale Medien-Startups: Digital Media Pioneers

Die Akademie der Deutschen Welle hat die Projekte begleitet sowie mit Beratung und Weiterbildung zu Themen wie Fundraising, Community Management oder Sicherheit unterstützt. Dazu gab es digitale und reale Treffen (letztere zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie), um den Erfahrungsaustausch zu fördern.

„Die Projekte sind unterschiedlich, aber alle stehen vor ähnlichen Herausforderungen“, berichtete Tillmann. Die meisten würden Mittel von internationalen Stiftungen und Grants wie Luminate oder der Open Society Foundation erhalten, aber auch Membership-Modelle wären derzeit stark im Kommen. „Sieben der 16 Pioneers haben mittlerweile Membership-Kampagnen gelauncht.“

Eine Diversifizierung der Einnahmequellen hält Tillmann für essenziell, um sich langfristig unabhängig zu  machen – „sonst ist das Überleben des Startups in Gefahr, wenn etwa die Stiftung den Geldhahn abdreht“. Wichtig sei auch, die unterschiedlichen Bedingungen in den jeweiligen Ländern zu berücksichtigen: „Zum Beispiel funktioniert Kreditkartenabwicklung in Südafrika sehr gut, in Zimbabwe aber gar nicht.“

Anschließend nahm die Expertin die Session-Teilnehmer*innen mit auf eine kleine Reise durch die internationale Startup-Welt. Vier Stationen verdeutlichen die Vielfalt der Projekte:

1) „Chequeado“ aus Argentinien

Die 2010 gegründete Verifikations- und Factchecking-Organisation ist laut Pauline Tillmann die erste ihrer Art in Lateinamerika. Inhaltlich widmet sie sich den drei Säulen Medienproduktion, Bildung und Innovation. Seit dem Jahr 2015 gebe es auch einen Fokus auf die Entwicklung eigener Software, so Tillmann. Derzeit sei ein Chatbot in Arbeit, der Fake News entlarven soll. „Startups, die eigene Software entwickeln, um diese dann monetarisieren zu können, begegnen einem immer wieder.“

Finanzmittel bezieht das argentinische Startup aus Kooperationen mit Stiftungen, Botschaften und Firmen, Kolumnen in Radio- und TV, Seminaren sowie Membership und Spenden. Die Community, erläuterte Tillmann, sei dem Team besonders wichtig – nicht nur als Geldquelle, sondern auch als wichtiger Rückkanal zu den Menschen. Kürzlich habe man einen eigenen Membership-Manager eingestellt, der zur weiteren Professionalisierung beitragen soll.

Mit Unterstützung von Google hat Chequeado gemeinsam mit rund 30 lateinamerikanischen Medienorganisationen eine Webseite zum Coronavirus gelauncht – auch hier sieht Pauline Tillmann Zukunftspotenzial: „Kollaboration und grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind wichtig.“

2) „New Naratif“ aus Kuala Lumpur

Bei dieser Plattform handelt es sich um einen Zusammenschluss von Aktivist*innen aus unterschiedlichen Ländern in Südostasien, die die Demokratisierung vorantreiben wollen. Das Portfolio umfasst unter anderem Comics, Videos und Podcasts Gleichzeitig, so erläuterte Tillmann, setzen die Gründer*innen sich für einen „Wandel durch Empowerment“ ein, etwa mittels Bürgerjournalismus.

Das Geschäftsmodell der Plattform sieht vor allem Stiftungsmittel vor. An diesem Beispiel zeigt sich jedoch, wie riskant es ist, sich auf einen Geldgeber zu verlassen. „Am Anfang der Pandemie hat die Stiftung den Hahn zugedreht“, berichtete Pauline Tillmann, „da mussten sie ziemlich rudern, um neue Geldquellen aufzutun.“ Der zweite, noch stark ausbaufähige Einnahmezweig besteht aus Mitgliedsbeiträgen.

Die Session-Gastgeberin gab zu bedenken, dass solche Projekte „noch mal mit ganz anderen Rahmenbedingungen zu kämpfen haben”. Erst kürzlich sei der Geschäftsführer von New Naratif zwischenzeitlich verhaftet worden. „Es gibt immer wieder Versuche der Einschüchterung. Daher ist es auch zum Schutz der Beteiligten wichtig, so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu generieren.“

3) „Animal Politico“ aus Mexiko

2011 mit einem Twitter-Account gestartet, habe sich Animal Politico inzwischen zu einem Magazin mit zwei Millionen Twitter-Followern und einer Million Facebook-Fans entwickelt, berichtete Pauline Tillmann. Die mehr als 30 Mitarbeiter*innen widmen sich harten Themen wie Gewalt, Korruption und Konflikten.

Das Geschäftsmodell umfasst neben gängigen Komponenten wie Stiftungsgeldern, Membership und Beratungsleistung (vor allem im Social-Media-Bereich) auch eine interessante Idee der Querfinanzierung: So haben die Gründer*innen zusätzlich zu ihrer politischen Berichterstattung zwei weitere werbefinanzierte Webseiten gelauncht: Animal.mx als service-orientiertes Angebot für junge Nutzer und die Kochplattform animal.gourmet. Auch animal.politico enthält gekennzeichnete Werbung. Aufgrund der Corona-Pandemie sei sie allerdings fast komplett eingebrochen, so Tillmann.

4) „Mada Masr“ aus Ägypten

Seit 2013 betreibt die unabhängige Internetzeitung aus Ägypten regimekritische Berichterstattung und investigative Recherchen. Die Macher seien etlichen Repressalien ausgesetzt, berichtete Tillmann. So sei die Seite schon oft blockiert, Team-Mitglieder zwischenzeitlich verhaftet worden. Die Membership-Kampagne, die nach langer – vielleicht zu langer – Planung Anfang des Jahres aufgesetzt wurde, habe der Plattform bislang 350 Abonnenten eingebracht. „Organisch zu wachsen ist schwer“, betonte Tillmann.

Bei Mada Masr komme eine Verantwortung für die Sicherheit der Mitglieder hinzu: „Was hat es für Folgen, wenn man ein Like auf Facebook hinterlässt? Wir er oder sie im Anschluss von der Regierung eingeschüchtert?“ Finanziert wird das ägyptische Start-up durch internationale Grants, vor allem aber durch Dienstleistungen in den Bereichen Texten und Marketing, Videoproduktion, Übersetzung und Beratung.

„Bei den meisten Startups wird der Kopf nicht in den Sand gesteckt, sondern viel herumexperimentiert”, fasste Pauline Tillmann die virtuelle Weltreise zusammen. Im anschließenden Austausch mit den Teilnehmer*innen gab sie weiter Auskunft zu Zielen und Schwerpunkten der „Digital Media Pioneers“. Befragt nach zusätzlichen Ideen, „Cash“ zu generieren, nannte sie Bücher, Veranstaltungen wie Dinner-Events, Lesungen und Konzerte, außerdem Newsletter mit Werbeplatzierungen und sogar Theaterstücke.

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